Frauen im Handwerk: Dachdecker-, Tischler- & Klempner-INNEN von heute

Männer dominieren das Handwerk, oder? Wir haben 4 starke Persönlichkeiten interviewt - und alle weiblich.

Autor Julian Wiedenhaus, co-founder Plancraft

Lukas Bartels

4 Minuten

Lesezeit

Aktualisiert am:

03/2024

Modernes Handwerk

Die derzeitige Debatte um das Gendering der Rechtschreibung hat das Thema Gleichstellung der Geschlechter wieder in den Fokus der Gesellschaft gebracht. Frauen werden im Alltag und Beruf noch immer benachteiligt. Häufig dort, wo das männliche Geschlecht stark vertreten ist, wie auch im Handwerk. Also, wie steht es um unsere Branche?

Stell dir mal vor...

Folgendes Gedankenspiel: Die Steckdose im Wohnzimmer funktioniert nicht mehr und (nehmen wir mal an) du wärst überfordert. Du rufst den örtlichen Elektriker. Fix wird dir zugesagt und der Monteur macht sich auf den Weg. Wie sieht die Person in deiner Vorstellung aus?

Wahrscheinlich ein Mann zwischen 25 - 50.

Die Tür klingelt und siehe da: eine Dame mit Werkzeugkoffer. Die ElektrikerIN.

Überrascht?

Ist das Handwerk eine Männerwelt?

Gerade Betriebe wie Mechatronik, Gerüstbau, Tischlerei und Dachdeckerei ziehen eher männliche Arbeitnehmer an.

Doch trügt der Schein einer männlichen Handwerkswelt? Ist das Handwerk eine reine Männerdomäne?

Frauen dominieren

Schon heute in einigen Bereichen im Handwerk. Häufig sind viele Menschen überrascht, wenn Sie auf Handwerkerinnen treffen, obwohl 36% aller Personen, die im Handwerk arbeiten, weiblich sind.

Elena Dangel (19)
Elena Dangel (19), @diehandwerkschwestern

Personenbezogene Handwerksbereiche, wie z. B. Friseur oder Zahntechniker gehören zum Handwerk und werden oft von Frauen dominiert.

Aber die Welt ändert sich: in Betrieben wie Klempnerei, Tischlereien oder Dachdeckereien sind Frauen auch vertreten. Sie behaupten sich in einer Arbeitswelt, die von männlichen Kollegen geprägt ist und wollen dort eine neue Norm erschaffen: Frauen sind stark und können im Handwerk großes bewegen.

Häufig haben diese Frauen bereits in ihrer Kindheit Bezug zum Handwerk gefunden. Ob durch die Großeltern mit eigenem Betrieb oder beim Helfen bei kleineren Reparaturen am Haus, im Garten oder Fahrrad. Diese Bezugspunkte führten letztendlich dazu, dass sie als Erwachsene den Weg der Handwerkerin einschlugen und sich nun dafür einsetzen, Frauen im Handwerk starkzumachen und anderen ein Vorbild zu sein.

Und gerade mit diesen starken Persönlichkeiten sprechen wir und verschaffen ihnen noch mehr Gehör. Wir stellen vor:

(hier geht es zu allen Einzelinterviews, @diehandwerkschwestern, @die.tischlerin, @maaxi_dachdeckerin)

Vorbilder im Doppelpack: die Handwerkschwestern

Klempnerinnen Franziska und Elena Dangel im Bulli
Klempnerinnen Franziska und Elena Dangel im Firmenbulli

Auch im Handwerk gibt es einige Tätigkeiten, die im Büro geschehen. Sei es Angebote kalkulieren, Termine planen oder an Werbethemen arbeiten. Und genau diese Aufgaben, kannst du prinzipiell auch lokal verlagern - ob ins Home Office, auf die Gartengarnitur oder ins Café nebenan.

Elena (19) und Franziska (23) von @diehandwerkschwestern

... sind nicht nur schlau, sondern auch echte Anpackerinnen. Schon in ihrer Kindheit hatten die Schwestern viele Berührungspunkte mit dem Handwerk. Der Großvater gründete seine eigene Klempnerei und baute sein eigenes, kleines handwerkliches Museum auf, aus welchem er den jungen Enkelinnen das Inventar zeigte und erklärte.

Franziska studierte Immobilienwirtschaft, und startet zusätzlich im Anschluss in die Klempnerlehre beim Familienbetrieb, Dangel-Metall GmbH. Ihre jüngere Schwester machte es ihr gleich und fing direkt nach ihrem Abitur ein duales Studium beim gleichen Unternehmen an.

Nachdem die erste Hürde der Umstellung von Bürojob zu einem körperlich anstrengenden Job überwunden wurde, sprechen die beiden sehr positiv von ihrer Arbeit. Sie fühlen sich gut im Team integriert und lernen viel. Auch das eigene Umfeld nimmt die Arbeit der beiden sehr positiv wahr.

Natürlich hatten die beiden auch Bedenken bei der Ausbildung, z. B. ob sie den alles lernen und verstehen könnten. Also ganz alltägliche Sorgen, die wir alle kennen - ob Mann oder Frau.

Als Töchter der Geschäftsführung ist es nachvollziehbar, dass sie besonders glänzen wollen und hohe Ansprüche an sich selber stellen. Großer Motivation und den ersten positiven Erfahrungen im Betrieb sei Dank, sind die meisten Bedenken bereits passé.

Beide sind besonders stolz darauf, im Handwerk zu arbeiten und möchten auch andere Frauen und Mädchen dazu motivieren, den Weg ins Handwerk zu finden. vor allem im Klempnerhandwerk arbeiten laut den Beiden noch zu wenig Frauen.

Ihre Idee, wie mehr Betriebe Frauen dazu motivieren können im Handwerk zu arbeiten?

Betriebe sollen mit gezielten Werbemaßnahmen zeigen, dass Männer und Frauen bei Ihnen gleichgestellt sind und es keine Differenzen bei Themen wie Entlohnung gibt. Insbesondere durch Videos, Messe- und Schulauftritte soll das Handwerk auf sich aufmerksam machen und die Möglichkeiten aufzeigen, die Frauen im Handwerk haben können.

Und hier geht's zum Interview

Nicht unterzukriegende Leidenschaft: Tischlerin & Interior Designerin Isabelle Vivianne

Tischlerin Isabelle vor ihrem fertigen Gesellenstück
Tischlerin Isabelle vor ihrem fertigen Gesellenstück

Davon, dass nicht jeder gute Erfahrungen im Handwerk gemacht hat, erzählt uns Isabelle Vivianne von @die.tischlerin. Auch Isabelle (22) hat familiären Bezug zum Handwerk und ist praktisch in Werkstätten und auf Baustellen groß geworden, sodass sie sich später selber für den Beruf der Tischlerin entschied.

Ihr Umfeld bewunderte diese berufliche Entscheidung. Auch, weil sie ein Abitur gemacht hat, sich anschließend für eine Ausbildung entschied und damit den gesellschaftlichen Vorstellungen vieler Menschen einen Schritt voraus ist.

Dazu kommentiert sie:

“Ich persönlich glaube, die Gesellschaft hat das Bild und den Mehrwert einer Ausbildung etwas verzerrt. Viele wissen nicht, wie viel weiter man mit einer präzisen Ausbildung kommen kann, als mit einem Studium in einem weitfächernden Studiengang.”

In ihrer Ausbildung sammelte die junge Tischlerin leider keine guten Erfahrungen. Sie berichtet, dass sie entweder sehr hart behandelt oder ihr Nichts zugetraut wurde. Der schwierige Umgang ihres beruflichen Umfelds führte zu Einbußen beim eigenen Selbstvertrauen und Zweifeln an der beruflichen Wahl- bis sie mit ihrem Gesellenstück auf’s Ganze ging und sich ebenso wie Kritiker vollends überzeugen konnte. Bis heute erfüllt sie der Gedanke an ihr Gesellenstück noch mit Stolz.

Durch diese positive Erfahrung verspürt sie wieder Freude in ihrem Handwerk und entscheidet sich dazu dies weiter auszuführen; sogar selbstständig. Sie investiert nun die Zeit und Energie lieber ins sich Selbst und ihre Liebe zum Tischlern.

Heute ist sie bei einem Meister eingemietet, der ihr eine positive Geschäftsatmosphäre ermöglicht und ist mit ihrem Ausbilder aus Berlin nach wie vor sehr gut befreundet. Sie arbeitet derzeit an eigenen Projekten, schätzt ihn als künstlerische Profession.

”Eine Handwerksausbildung zu machen, ist eine der ehrbarsten Entscheidungen, die man treffen kann, neben einer Berufswahl im Sozialsektor oder der Mutterschaft.”

Isabelle empfiehlt der jungen Generation an Handwerkerinnen stolz, schön und hart zu sein.

“Beweise niemandem etwas. Nutze deine Energie lieber für dich selbst. Du kannst dich nur auf dich selbst verlassen. Diskutiert, aber werdet nie laut. Seid ihr selbst und im richtigen Moment, seid das was man nicht von euch erwartet. Lasst euch nicht abhalten. Von nichts auf dieser Welt, denn ihr werdet gebraucht, egal was jemand anderes euch erzählen will.”

Und hier geht's zum Interview

Dachdeckerin Maximiliane Pedall: Selbstbewusst über den Dächern

Eine weitere starke Persönlichkeit, die wir interviewen durften, ist Maxi von @maaxi_diedachdeckerin.

Dachdeckerin Maximiliane Pedall bei der Arbeit
Dachdeckerin Maxi bei der Arbeit

Maxi ist 29 Jahre alt und kommt im September in das zweite Lehrjahr ihrer Dachdeckerausbildung. Durch ihren Verlobten und ihren Vater, der selber seit 43 Jahren Dachdecker ist, kam sie mit dem Dachdecken in Berührung und hat sich letztendlich dazu entschieden, eine Lehre zu beginnen.

Ihr Umfeld hat die Ausbildungswahl sehr positiv wahrgenommen. Auch berichtet Maxi selbst, dass sie jeden Tag etwas neues lernt und begeistert ist. Wir finden das großartig!

Anfängliche Bedenken, wie die Sorge um die Entlohnung, Beziehungen zu Kollegen und Chefs und eine von Männer dominierte Arbeitswelt konnte sie schnell abstreifen. Der Lohn ist ausreichend und auch mit ihren Kollegen und dem Chef hat sie eine gute Verbindung.

Das schönste Erlebnis, welches sie in ihrer kurzen Lehre bereits erfahren hat, ist, als sie mit ihrem Papa ihr erstes Schieferdach fertig gedeckt hatte und ihr Vater sie mit auf den Schlussstein eingraviert hat.

Mit Kritik gegenüber ihrer Berufswahl reagiert sie selbstbewusst. Kritik spornt sie an, ihrem Traum weiter nachzugehen. Maxi vertritt ihre Meinung klar:

Wenn man etwas wirklich will, dann kann man das auch schaffen.

Junge Mädchen, die sich für das Handwerk interessieren, sollten sich nicht von negativen Stimmen unterkriegen lassen, sondern ihrem Traum folgen.

Betriebe müssen offen sein und sollten Frauen die Chance geben, sich beweisen zu können.

"Das Handwerk braucht neuen Wind und wenn es Frauen und Mädchen sind, dann ist da nicht Schlimmes dabei. Männer vergessen, dass Frauen genauso anpacken können wie sie."

Und hier geht's zum Interview

Fazit

Das Handwerk ist schon lange nicht mehr eine von Männern dominierte Arbeitswelt, sondern auch viele Frauen fangen an daran Gefallen zu finden.

Starke Persönlichkeiten im Handwerk wie @diehandwerkschwestern @maaxi_dachdeckerin und @die.tischlerin machen darauf aufmerksam und zeigen, wie sie den Alltag einer Handwerkerin meistern. Sie haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht, jedoch haben sie Eines gemeinsam: Sie lieben das Handwerk.

Ihr Standpunkt:

  • Betriebe sollen für Frauen und der Gleichstellung von Frauen im Handwerk werben (Videos, Messe- und Schulauftritte, Social Media)
  • Fair & gleiche Löhne sind essenziell und indiskutabel
  • Frauen haben einen großen Willen, packen an und bringen zusätzlich noch mehr Kreativität mit - also die perfekten Mitarbeiter / Chefs!

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